§ 1.
Bei strengem Geschäftsgang je nach Bedürfnis Ueber=
arbeitszeit insoweit nicht gesetzliche Bestimmungen entgegen= stehen.
§ 2.
Eine Vesperpause wird nicht gestattet, dagegen hat
jeder Arbeiter das Recht, ein Vesper mitzubringen, welches er während der Arbeit zu verzehren hat und zwar in der Zeit
von 9-915 Uhr des Vormittags,
von 4-415 Uhr des Nachmittags.
Wer außer vorstehender Zeit beim Vespern angetroffen
wird, zieht eine Strafe von 50 Pfg. nach sich.
Die Pausen der jugendlichen Arbeiter sind nach Maß=
gabe des § 136 der G.=O. besonders geregelt und auf dem in den Arbeitsräumen ausgehängten Verzeichnis der jugend= lichen Arbeiter angegeben.
§ 3.
Jedem Arbeiter, welcher 5 Minuten nach Beginn der
Geschäftsstunden ins Geschäft kommt ohne genügende Ent= schuldigung, wird eine Stunde abgezogen.
§ 4.
Sogenanntes "Blauen" machen, sei es während
des ganzen Tages oder nur teilweise, wird mit 50 Pfg. bestraft und im wiederholten Falle tritt sofortige Entlassung ein laut § 123 der R.=G.=O.
§ 5.
Das Verlassen des Geschäfts während der Arbeitszeit
ohne Entschuldigung wird mit 50 Pfg. bestraft.
§ 6.
Der Zutritt in die Werkstätten der nicht in der Fabrik
beschäftigten Personen (z. B. Besuche von Bekannten etc.) ist ohne Erlaubnis nicht gestattet und haben Zuwiderhandelnde sofortige Ausweisung zu gewärtigen.
§ 7.
Jeder Arbeiter ist verpflichtet, nur sauber und pünkt=
lichst gearbeitete Ware abzuliefern und zwar hat der Plochingen a. N., 4. Dezember 1907. |
Arbeitgeber das Recht, die Annahme nachlässiger Arbeiten
zu verweigern und dieselben auf Kosten des betreffenden Arbeiters durch einen Andern wiederherstellen zu lassen.
§ 8.
Jeder Arbeiter ist für den ihm übergebenen Werkzeug
haftbar.
§ 9.
Zur Sicherung gegen unbefugtes Verlassen der Arbeit,
als Kaution für etwaige Geldstrafen und für anvertraute Arbeiten und Werkzeuge, werden von jedem Arbeiter 5 Mk. erhoben, die in wöchentlichen Beträgen von 50 Pfg. am Lohn abgezogen werden. Diese Summe wird dem ordnungsmäßig austretenden Arbeiter in baar zurückbezahlt.
§ 10.
Gegenseitige Kündigungszeit 8 Tage.
§ 11.
Abrechnung und Lohnbezahlung finden wöchentlich
Samstags im neuen Fabrikgebäude statt.
§ 12.
Vorstehende Paragraphen verstehen sich für jeden
Arbeiter gleichviel, ob derselbe im Akkord oder auf Taglohn arbeitet.
§ 13.
Die in vorstehenden Paragraphen vermerkten Geld=
strafen fallen in die Fabrikkrankenkasse.
§ 14.
Anstellung resp. Beschäftigung in der Fabrik bedingt
vollkommenes Einverständnis mit obiger Arbeitsordnung. Die in vorstehenden Paragraphen vermerkten Geldstrafen werden von dem Fabrikvorstand angesetzt und dem Be= straften mit Angabe der Veranlassung sofort zur Kenntnis gebracht. Die Geldstrafen werden von der nach § 9 gebildeten Kautionssumme abgezogen und fallen in die Fabrikkrankenkasse. Der wegen Kontraktbruch verwirkte Lohnbetrag fällt ebenfalls in die Fabrikkrankenkasse.
§ 15.
Gemäß § 134 a der G.=O. tritt die Arbeitsordnung
frühestens 2 Wochen nach ihrem Erlaß in Geltung. Wilh. Braun. |
Diese Seite wurde nach einer Kopie der Arbeitsordnung erstellt, die ich von Herrn Manfred Reiner, Plochingen, erhalten habe.