Als ich im Jahre 1841 in Krems eine Werkzeugfabrik gründete und 1842 die Fabriken des in
jener Zeit bekannten Werkzeugfabrikanten Gruber in Wien und Scheibbs übernahm, drängte sich mir
die Anschauung auf, es müsse eine Regelung in dieses so wichtige Fach gebracht und insbesondere ein
Schema der richtigen technischen Benennungen (Namen) der verschiedenen Handwerkzeuge gegründet
werden, da es nicht selten vorkam, dass ein und dasselbe Werkzeug zwei, ja oft auch drei verschiedene
Namen hatte. Schon im Jahre 1843 wurden in meinen Fabriken alle Holzwerkzeuge mit ihren richtigen
technischen Namen bezeichnet; es war diess ein Fortschritt, der von Seite der Arbeiter wie der Kaufleute
öffentliche Anerkennung fand. Im Jahre 1845 trat ich bei der Industrie-Ausstellung zu Wien zum ersten
Male mit einer grossen Werkzeug-Exposition, aus nahezu 1000 diversen Stücken bestehend, auf; ich erhielt
den ersten Preis.
Diese Sammlung wurde dem k. k. technischen Cabinet einverleibt, wo sie heute noch zu sehen ist.
Im Jahre 1849 erhielt ich den Auftrag, für das kaiserl. Museum zu Petersburg eine ähnliche Werkzeug-
sammlung zum Gebrauche bei dem technischen Unterrichte aufzustellen. Im Jahre 1850 erhielten meine
Werkzeuge bei der Industrie-Ausstellung zu Leipzig den ersten Preis; ebenso in London 1851. Bei der
deutschen Industrie-Ausstellung zu München 1854 wurde meine Sammlung im Auftrage der dortigen Re-
gierung für die renommirte Gewerbeschule in Fürth angekauft.
Im Jahre 1855, bei der Weltausstellung zu Paris, wurde meine Werkzeug-Exposition mit der goldenen
Medaille d'honneur ausgezeichnet und für das Conservatoire impérial des arts et metiers im Auftrage der
französischen Regierung zum Unterrichtszwecke angekauft. Bei der letzten Weltausstellung zu Paris im
Jahre 1867 konnte meine Exposition, da ich als Juror dieser Classe hors de concours gewesen, mit
einer Medaille nicht prämiirt werden; ich erhielt die Officiers-Decoration der Ehren-Legion. Diese meine
Exposition, aus 1400 diversen Werkzeugen bestehend, wurde für das South Kensington Museum zu London
und eine gleiche für das königliche technologische Cabinet zu Turin angekauft. Diese für mich erfreu-
lichen Erfolge waren es, welche mich veranlassten, der Sache eine grössere Aufmerksamkeit zu widmen
und dieses Werk herauszugeben.
In den vierziger Jahren hatte ich schon eine Anzahl lithographirter Werkzeugtabellen veröffent-
licht; als jedoch im Jahre 1851 bei der Londoner Ausstellung der Farbendruck in seiner ganzen Pracht
und Zweckmässigkeit erschien, sah ich mich veranlasst, meine gemachten Vorarbeiten in gewöhnlicher
Lithographie aufzugeben und das Werk in Farbendruck auszuführen. Die Vorzüge, welche sich dar-
bieten, wenn eine Sache in der natürlichen Farbe, gleichsam als Portrait, dargestellt ist, sind zu ein-
leuchtend, um erst näher bezeichnet werden zu müssen. Ich hatte das hier in Rede stehende Werk in
mir theilweise fertigem Stande bei der Pariser Ausstellung 1867, in der betreffenden Classe 92 (Unter-
richtsmittel) exponirt und trotzdem, dass dieses Werk nicht vollendet war, die Preismedaille von der Jury
dafür erhalten.
Es ist nicht meine Absicht, mich hier in eine lange detaillirte theoretische Abhandlung über Werk-
zeuge einzulassen; ich will nur kurz vom praktischen Standpunkte aus anführen, wie jedes Handwerk-
zeug richtig zu benennen, aus welchen Stoffen es gemacht ist *) und welche Nutzeffecte mit ihm zu
erreichen sind, so zwar, dass dieses Werk: für technische Lehranstalten, industrielle Etablissements, wie
für den Handarbeiter brauchbar ist.
"Sowie die Werkzeuge unter die wichtigsten Erfordernisse des Handwerkers und Fabrikanten ge-
hören, so bildet auch die Werkzeuglehre, d. h. die Beschreibung der Construction und Anwendung der
Werkzeuge, nach dem Ausspruche competenter Fachmänner, einen der wichtigsten Theile der mechani-
schen Technologie."
Die Werkzeuge, anscheinend der kleinste Theil des technischen Apparates, bedingen dennoch durch
ihre Vollkommenheit unmittelbar den Erfolg jeder, auch der grössten Arbeit. Weder eine Dampfmaschine
noch irgend ein grösseres technisches Object lässt sich herstellen, wenn nicht die Handwerkzeuge gut
und brauchbar sind.
Von guten Handwerkzeugen hängt ferner oft die Existenz des Arbeiters ab, da derselbe mit guten
und zugleich billigen Werkzeugen in derselben Zeit sich das Doppelte verdienen kann.
Es ist wichtig, den Antheil zu zeigen, welchen der Arbeiter an der allgemeinen Production nimmt,
besonders in dem Augenblicke, wo die Maschine sich schon der ganzen Industrie zu bemächtigen scheint,
und darzuthun, dass für gewisse Arbeiten die menschliche Hand jede Maschine in die Schranken for-
dern kann.
Ein bekannter französischer Schriftsteller sagt:
Il importe de reveler la part qui revient à l'ouvrier dans la production générale, et au moment où la
machine semble à la veillee d'envahir toute l'industrie, démontrer que, pour certains travaux, la main de l'homme
peut défier toute concurrence mécanique.
Ich habe bei der Wahl der in diesem Buche dargestellten Werkzeuge nicht ausschliesslich den
österreichischen Standpunct eingenommen und daher auch jene Handwerkzeuge, die in England, Frank-
reich und Amerika nach praktischen Erfahrungen zweckmässiger als unsere, hier aufgenommen. Ich
betrachte ferner den Stoff meines Werkes als eine Specialität und schliesse ihn dort ab, wo die Dampf-
maschine anfängt. Jedoch habe ich die vorzüglichsten, der kleineren Masehinen, welche mittelst Schwung-
rad oder selbst durch den Fuss in Bewegung gesetzt werden können, darin aufgenommen.
Einzelnes findet man übrigens auch in den Büchern hervorragender Technologen, als: Kar-
marsch, Technologie 1851; Prechtl, technologische Encyklopädie 1830-54; Altmütter, Beschrei-
bung der Werkzeugsammlung des k. k. polytechnischen Institutes 1847; ebenso Holzapfel, Turning
and mechanical Manipulation, Vol. II, London 1846.
Meine Werkzeugtabellen dürften in der gegenwärtigen Zeit, wo die Technik aller industriellen
Völker zu einer früher nicht geahnten Reichhaltigkeit gediehen ist, einen um so grösseren Werth haben,
als bei Errichtung der vielen technischen wie gewerblichen Lehranstalten nicht immer die Mittel vor-
handen sind, um die Originalien selbst für den Unterricht anzuschaffen. Ich habe auch Sorge getragen,
dass dieses Werk zu einem sehr billigen Preis dem Publicum zugänglich werde, da ich für meine lang-
jährige Mühe und die bedeutenden Vorausgaben nichts in Rechnung bringe, sondern nur die Kosten für
Druck und Papier einstelle.
Um mich endlich über die Richtigkeit meiner Darstellungen in diesem Werke zu vergewissern,
habe ich mich mit technischen Autoritäten, namentlich mit dem ersten Director des technischen Institutes,
in Hannover, Dr. Karl Karmarsch, dem Rector Dr. Beeg zu Nürnberg, sowie dem k. k. suppl.
Professor Baron Kulmer in Wien in's Einvernehmen gesetzt. (Professor Altmütter hat mir bei seinen
Lebzeiten über diesen Gegenstand ein sehr ehrenvolles Zeugniss gegeben.)
Bei Gelegenheit der letzten Pariser Ausstellung hatte ich dem Director des Conservatoire Imp.
des arts et metiers, Herrn General Morin, Mr. Dreska und Herrn Perdonnet, Director der école technique
centrale, mein Werk zur Beurtheilung vorgelegt, und drückten mir dieselben ihre volle Zufriedenheit
aus. Ebenso hatte ich mich der Anerkennungen des Herrn Rectors Brentano zu München sowie der
polytechnischen Schule zu Zürich zu erfreuen.
Was Herr Dr. Karmarsch zu Hannover - eine Autorität in diesem Fache - über diese meine
Ausgabe sagt, ist in dem Vorworte deutlich zu ersehen.
Wien, 1869
Wertheim.
*) Unter die wichtigsten Factoren der inländischen Holzwerkzeug-Industrie gehört das Weissbuchenholz. Es ist in Oesterreich
von so vortrefflicher Qualität und ausserordentlicher Billigkeit, wie in keinem zweiten Lande Europa's, vorhanden. Die Engländer haben
gar keine Weissbuchen in ihren Forsten und müssen zu den Hobeln und diversen Handwerkzeugen das Holz der Rothbuche verwenden,
welches viel weicher, poröser und dem Zwecke weniger entsprechend ist.
Der Unterschied im Preise zwischen hier, England und Frankreich ist ein enormer, so zwar, dass ein Hobel, der hier 2 Francs
kostet, in Frankreich 6 Francs und in London 8 Shillinge kostet.
Man kann hier einen Tischler mit allen nöthigen Handwerkzeugen complet für 20 Gulden d. i. 50 Francs, einrichten, so
dass er mit diesen Werkzeugen, worunter eine Hobelbank, diverse Hobel, Stemmzeuge, Sägen etc. sich befinden, allsogleich erwerbsfähig ist.
Unser Weissbuchenholz hat eine Härte, ähnlich wie Buchsholz. In der Tabelle (XXV) ist eine naturgetreue Abbildung des
Weiss- und Rothbuchen-Holzes in Farbendruck ausgeführt.
Was die richtig technischen Namen der Werkzeuge anbelangt, hatte ich dieselben bei meinem Aufenthalt in England, Frank-
reich, Italien, Russland und im Orient gesammelt. Ich behalte mir auch vor, im Laufe des Sommers den explicativen Text in vorbe-
nannten Sprachen zu veröffentlichen.
Um dieses Werk auch dem Unterrichte an technischen Lehranstalten zugänglich zu machen, habe ich zu allen Abbildungen
in Farbendruck, dort wo es nöthig war, auch geometrische, genau nach Massstäben gearbeitete Zeichnungen beigefügt.