Wolfgang Jordan
HOLZBEARBEITUNG MIT HANDWERKZEUGEN

Die Zahnformen der Sägen für Längs- und Querschnitte

Was das Holzwerken angeht, bin ich praktisch bei Amerikanern in die Lehre gegangen. Per Internet habe ich nicht nur den Umgang mit Handwerkzeugen gelernt, sondern auch erfahren, wie man diese Werkzeuge schärft. Nun sollte man meinen, daß (jedenfalls in der westlichen Welt) keine allzu großen Unterschiede darin bestehen, wie Werkzeuge für einen bestimmten Anwendungszweck hergerichtet werden. Ich habe aber feststellen müssen, daß es insbesondere bei Sägen einige deutliche Unterschiede gibt.

Wenn man heute ein Buch für den Hobby-Holzwerker in die Hand nimmt, wird man meistens lesen, daß Sägen für Längs- bzw. Querschnitte unterschiedlich geschärft werden. Das ist auch kein Wunder, weil die meisten dieser Bücher von Engländern oder Amerikanern geschrieben wurden (Ernest Scott, Jackson & Day, Roger Holmes u. a. [siehe Buchempfehlungen]). Und weil es die von amerikanischen Woodworkern praktizierte Methode ist, habe ich es so auch immer im Internet gelesen. Ausführliche Anleitungen zum Schärfen nach diesem Verfahren findet man z. B. hier:
Saw Filing--A Beginner's Primer (Pete Taran)

Wegen einer Anfrage in einem Handwerkzeugforum habe ich meine, z. T. alten, deutschen Fachbücher durchgeblättert, weil ich wissen wollte, was darin über das Schärfen von Sägen gesagt wird. Erstaunlicherweise habe ich gefunden, daß die Tischler und Schreiner in Deutschland seit etwa 1950 ihre Sägen meist einheitlich in einer Weise geschärft haben, wie es die Amerikaner für Längsschnitte bevorzugen. Daß die Vorzüge einer speziellen Zahnform für Querschnitte sehr wohl im Prinzip bekannt waren, geht aus den folgenden Literaturausschnitten hervor. Man gewinnt aber den Eindruck, daß (mit der abnehmenden Bedeutung der Handwerkzeuge?) das Wissen darum verlorenging. Möglicherweise waren die Vorteile einer Querverzahnung auch nicht mehr bedeutend genug, um sie weiterhin anzuwenden.

Interessant ist es zu beobachten, daß das schräge Anschleifen der Zähne von Querschnittsägen über das Internet und die Literatur hierzulande wieder mehr bekannt wird. Dazu trägt auch die wachsende Bekanntheit der japanischen Zugsägen bei, deren Zähne für Querschnitte einen ähnlichen Schrägschliff aufweisen. Darüber hinaus stehen die Zähne bei Längsschnittsägen deutlich stärker auf Stoß als bei heute erhältlichen westlichen Sägen. Dadurch schneiden japanische Sägen schneller und feiner als einheimische Produkte. Das hat also nichts damit zu tun, daß diese Sägen auf Zug schneiden, sondern ist zurückzuführen auf die konsequente Anwendung von Wissen, das bei uns verlorengegangen ist.

Die folgenden Zitate aus Fachbüchern des ausgehenden 19. und des 20. Jahrhunderts sind chronologisch aufsteigend geordnet. Nicht berücksichtigt habe ich neuere Bücher, die aus dem Englischen übersetzt wurden oder von englischsprachigen Autoren stammen. Leider fehlen mir noch weitere Hinweise aus der Zeit vor 1900, sodaß eine historische Entwicklung aus den Daten nicht wirklich ableitbar ist. Ich habe aber die Hoffnung, diese Tabelle mit der Zeit erweitern zu können.

Oekonomische Encyklopädie, oder allgemeines System der Staats- Stadt- Haus- und Landwirthschaft
von Johann Georg Krünitz, 1773/1858
Band 130, erschienen: 1822
(Online-Version)
"Die Einfeilung der Zähne selbst muß nach der Absicht geschehen, nach welcher man die Säge braucht. So ist zum Trennen der Länge des Holzes, besonders von weicher Art, ein auf einer Seite beinah gleicher Zahn erforderlich, zu andren Querdurchsägen wird der Zahn auf beiden seiten beinahe gleich schief gefeilt, so wie es auch hier nicht weniger viel auf die Festigkeit der Materie ankommt, die man sägen will, so daß der Zahn außer seiner mehr oder weniger schwachen Einschneidung, mehr oder weniger fein seyn muß."
Heinr. Friedr. August Stöckel
'Die Tischlerkunst in ihrem ganzen Umfange'
1823 (Reprint)
Nach dem Aufzählen der verschiedenen Sägen geht Stöckel nur kurz auf das Schärfen ein. Er erwähnt, wie wichtig es ist, die Zähne vor dem Schärfen abzurichten, und wie ein Schränkeisen beschaffen ist. Über die genaue Form der Zähne wird nichts gesagt.
Meyers Konversations-Lexikon
1888/89
(Quelle)
"Um eine gehörige Schneide zu erhalten, ist die Sägefeile schräg gegen xx (Anm.: Richtung des Sägeblattes) nach den Linien ab und cd zu führen; dadurch gewinnt eine geschränkte Säge das in ad ad gezeichnete Ansehen."
Schärfen der Sägen
Theodor Krauth & Franz Sales Meyer:
Die gesamte Bauschreinerei
1899 (Reprint)
Keine Unterscheidung zwischen Längs- und Querschnittsäge
Prof. Chr. Hermann Walde:
Der Praktische Tischler
1906 (7. Auflage, 1926)
"..., daß dies viel leichter in Hirnholz als in Querholz geht, bei dem nicht allein Faserteile ausgehoben, sondern diese Faserverbindungen vorher in der Art des Vorschneiders beim Bohrer getrennt werden müssen. Würden also die Zähne bei Querholz sehr schräg stehen (Anm.: stark auf Stoß), so würde durch Vorstoß und Druck der Säge das Holz - die Zahnspitzen drücken sich ins Holz ein - von unten herausgerissen, die Ränder splittern. Stehen die Zähne mehr gerade (Anm.: auf Stoß), so ist die Wirkung der keilförmigen Spitzenbreiten der Zähne eine mehr schabende. Die Hauptarbeit haben dabei die schrägen Zahnränder zu verrichten, die ganz besonders auf Schnittwirkung zugefeilt sein müssen, so wie dies in Fig. 50 gezeichnet ist. Die Zahnform, Fig. 51, ist für hartes Holz gerechnet, die Zähne stehen aufrecht und stumpfwinklig."
"Die in Fig. 50 gezeichnete Zahnform ist der Art, nicht der Größe nach, die der Absetz- und Querholzsägen."
"Sägen, die nur Querholz zu schneiden haben, sollen nicht rechtwinklig, sondern von beiden Seiten schräg gefeilt werden. Solche Zähne geben einen viel saubereren Schnitt."
Sägezähne für Absetzsägen
Sägezähne für hartes Holz
Form der Sägezähne für weiches Langholz

"Ein sauberer Schnitt bei wenig geschränkten Sägen (Absetzsägen, Fuchsschwanz) wird dadurch erzielt, daß man einen oder mehrere Zähne etwas unwinklig feilt, die nächsten entgegengesetzt und zwar so, daß sich ein kleiner, schneidender Grad an der Zahnseite bildet, der ähnlich wirkt, wie der einer Ziehklinge."
L. Reineking:
Die Tischlerwerkstatt des Land- und Möbeltischlers
1911 (Reprint)
"Das Feilen der Sägen geschieht meistens winkelig zum Sägenblatt. Während die Faustsäge schon etwas auf den Stoß gefeilt sein darf (d. h. die Zähne der Säge müssen etwas spitzer als ein rechter Winkel sein), muß bei der Schlitz- und Absetzsäge das auf Stoß feilen vermieden werden, weil sonst der Fall eintritt, daß Ecken der Schnittflächen herausspringen, also ein sauberes Arbeiten unmöglich wird."
Carl Wilkens
Tischler-Lexikon
1924 (Reprint)
"Für Längsschnittsägen ergibt Geradeschliff die kleinsten Seitendrücke auf den Zahn. Querschnittsägen müssen mit Schrägschliff arbeiten."
Bei diesem und dem nächsten Zitat ist nicht klar, ob es sich nur auf Maschinensägen oder auch auf Handsägen bezieht.
"... der Brustwinkel a muß für Längsschnitt um so größer sein, je härter das Holz ist, - außer wenn es möglich ist, den Ansatzwinkel genügend klein und dadurch den Zahn steif genug zu machen. Für Querschnitt ist der Winkel stumpf, jedoch ist es falsch, den Zahn gleichwinklig zu machen (letzeres geschieht mehr aus Bequemlichkeit), da hier hauptsächlich der Schrägschliffwinkel E arbeitet (Abb. 146);"
Schrägschliff bei Sägen für Querschnitt
"Die Anwendung der Zinkensäge ist bei genauer und guter Möbelarbeit nicht in allen Fällen ratsam, da die hintere Seite manchmal nicht genau auf Riß geschnitten wird oder aussplittert, wenn die Sägezähne der hinteren Hälfte nicht abwechselnd schräg gefeilt sind für Querschnitt."
Tage Frid
(Ausbildung 1928 in Dänemark):
Sawing by Hand
Find Woodworking
Herbst 1977
"For some strange reason, most new handsaws are filed for crosscutting. The first time I sharpen a crosscut saw I change it to a ripsaw (by changing the teeth from a point to a chisel edge). This makes ripping faster and easier, of course, and I find the saw works better even for crosscutting."
["Aus unerfindlichen Gründen sind die meisten neuen Handsägen für Querschnitte geschärft. Wenn ich eine Querschnittsäge das erste Mal schärfe, feile ich sie um für Längsschnitte (indem ich den Zähnen anstatt einer Spitze eine beitelähnliche Schneide feile). Das beschleunigt und erleichtert natürlich Längsschnitte, und ich finde, die Säge arbeitet besser sogar für Querschnitte."]

"For crosscutting, I use the rip-sharpened bowsaw."
["Für Querschnitte benutze ich die für Längsschnitte geschärfte Gestellsäge."]
Johann Flocken,
Henry Walkling:
Lehrbuch für Tischler
8. Auflage, 1942
"Um bei Herstellung von Querschnitten die Holzfasern nicht zu zerreißen, sondern durchzuschneiden, wendet man auch den sogenannten Schrägschliff an (Bild 90). Hierbei wirken die Zahnspitzen wie Vorschneider. Um eine beiderseitig gleichmäßige Wirkung zu erzielen, werden die Zähne abwechselnd nach der rechten und nach der linken Seite zu schräg gefeilt."
Schrägschliff
Prof. H. Söhlemann:
Das Tischlerhandwerk
1943
"Wenig geschränkte, feine Sägen feilt man wechselweise etwas unwinklig, damit sich auf beiden Seiten Grat ansetzt, der einen sauberen, freien Schnitt gewährleistet."
Fritz Spannagel:
Leichte Holzarbeiten
1947
"Beim Schärfen ist zu achten, daß die Sägefeile waagrecht, das heißt genau im rechten Winkel zur Sägeblattstärke, geführt und die gleichmäßige Schräge der Zähne beibehalten wird." (keine Unterscheidung der Sägearten!)
Kurt Bastian:
Fachkunde für Tischler
1952
"Gleichschenklige Zähne wirken wie Vorschneider. Während bei den bisher besprochenen Zahnformen (Anm.: alle Gestellsägen für Längs- und Querschnitte) die Zahnbrust stumpf bleibt, sind bei dieser Zahnform häufig durch "Schrägschliff" Brust und Rücken angeschärft. Hierdurch eignen sich diese Zähne besonders gut zum Zerschneiden der Holzfasern in Querrichtung (Schrotsäge, Quersägemaschine, Pendelsäge). Die Schrotsäge arbeitet außerdem auch als Zweimannsäge auf Zug und Stoß gleichmäßig."
Karl Bieler:
An der Hobelbank
1954
"Beim Schärfen der Säge muß die Feile in waagerechter Richtung und winklig zum Sägeblatt unter Beachtung der Zahnstellung vom Körper fortgeführt werden."
Beidseitig wirkende Zähne "erhalten einen Schrägschliff, so daß ihre Kanten als Schneiden wirken. Dadurch wird beim Durchgang der Säge die Holzfaser seitlich abgeschnitten, nicht, wie bei den anderen Zahnformen, abgerissen. Derartige Zähne besitzt die Schrot- oder Bauchsäge."
Zahnformen der Bund- oder Bauchsäge
"Zum Schärfen der Schrotsäge wird eine Flach- oder Messerfeile verwendet. Jeder Zahn erhält auf beiden Seiten eine nach außen gerichtete Fase. Beim Schärfen muß daher die Feile schräg zum Zahn geführt werden."
"Bei der Loch- oder Stichsäge, die infolge ihrer Blattdicke nicht geschränkt werden kann, müssen die Zähne so gefeilt werden, daß die Spitze und die Seitenkanten schneiden."
Schärfen der Loch- oder Stichsäge
Johann Flocken,
Henry Walkling:
Lehrbuch für Tischler
1961
"Das Schärfen erfolgt mit einer Dreikantfeile. Sie liegt beim Schärfen in einer horizontalen Ebene und zwar rechtwinklig zum Blatt."

"Der gleichschenklige Dreieckszahn hat eine schabende Wirkung. Anwendung bei Schrotsägen und Quersägen mit maschinellem Antrieb. Diese Zähne erhalten zur Erzielung eines sauberen Schnittes wechselseitig einen Schrägschliff."

"Die Stich- oder Lochsäge ... An Stelle des Schrankes sind die Zähne beiderseits schräg gefeilt."
Bezahnung der Stichsäge
Erich Brüggemann:
Das große Schreinerbuch
1992
"Die Blätter der Gestellsäge, Feinsägen und einige Fuchsschwänze werden im rechten Winkel quer gefeilt."
Holztechnik Fachkunde
1997
"Beim Schärfen ist die waagrecht zu haltende Feile mit leichtem Druck so zu führen, daß die Zahnränder voll und gleichmäßig erfaßt werden."

"Die Zähne der Stichsäge werden abwechselnd nach rechts und links mit der Dreikantfeile schräg gefeilt."

"Die Furniersäge wird mit einer kleinen Dreikantfeile geschärft, jedoch nicht geschränkt. Damit eine möglichst dünne Schneide entsteht, spitzt man die Zähne auch in der Dicke an."

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