Neustift in der österreichischen Eisenwurzenregion hatte für die Herstellung von Holzbearbeitungswerkzeugen eine besondere Bedeutung. Vom frühen 19. Jahrhundert bis in die Sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts betrieben dort mehrere Fabriken gleichzeitig oder in Folge die Herstellung von Hobeleisen, Beiteln und weiteren Werkzeugen. 5)
Im 15. Jahrhundert wurde der Ursprungbach am Ginselberg in Neustift umgeleitet, um seine Wasserkraft besser nutzbar zu machen.1)
Anton Gruber und schon vor ihm sein Vater waren als Werkzeugschmiede berühmt. Sie hatten ein Verfahren entwickelt, nach dem sie ihre Hobeleisen verstählten und mehrfach Patente dafür erhalten.6)7) Anton Gruber besaß den Gstettenhammer (oder Stettenhammer) am Ginselberg 13 und betrieb dort eine "k. k. privil. Fabrik stahlplattirter Schneidwerkzeuge".4) Gruber besaß außerdem eine Fabrik in Wien (siehe die Seite über die Wiener Fabriken)
Der aus Schlesien stammende Josef Herrmann hatte 1843 in einer ehemaligen Hufschmiede in Miesenbach einen Betrieb zur Erzeugung von Schneidwerkzeugen (vor allem Stemm- und Hobeleisen) aufgebaut. Der Ebenhammer (Ginselberg 14), ein Zerrenn- und Streckhammer, wurde 1874 an diesen Betrieb angegliedert.
Das linke der drei Gebäude in Miesenbach wurde 1856 mit einer Schlosserwerkstatt und einem Gewölbekeller errichtet. Aus dem Bauplan 2) geht hervor, daß sich der Hammer im mittleren Gebäude befand. Zwischen diesem und dem rechts davon befindlichen Kohleboden war die sogenannte Radstube. Das Wasser zum Antrieb des Hammers wurde hinter dem Haus in Stauteichen gesammelt, die vom Höferbach und vom Ursprungbach gespeist wurden. In einem "Fluder" wurde es von dort auf das Wasserrad geleitet.
Die Fabrik in Miesenbach wurde 1938 an Anton Rabl verkauft, der dort bis 1969 eine Huf- und Wagenschmiede betrieb. Das Aussehen der drei Gebäude mit den charakteristischen Giebeln wurde 1950 durch einen Umbau verändert. die Häuser befinden sich heute in Privatbesitz.
Im Ebenhammer am Ginselberg wurden bis 1918 Schneidewerkzeuge hergestellt.2) 1938 wurde das Gebäude von Rudolf Stepke erworben, der dort eine Fabrik zur Holzwarenerzeugung betrieb. Die Fabrikation wurde 1981 eingestellt. Das Gebäude Ginselberg 14 befindet sich heute in Privatbesitz.
Nach Anton Grubers Tod in 1843 erwarb Franz Wertheim den Gstettenhammer (Ginselberg 13). 1857 bestand die Fabrik aus einem Schweißhammer, einem Streckhammer und einem Schleif- und Polierwerk, und beschäftigte 23 Arbeiter. 1861 kaufte Wertheim den Strudenhammer unterhalb des Ginselbergs von Franz Abel und Sebastian Schürhagl.
Nach Wertheims Tod 1883 gingen die beiden Fabriken im Gstettenhammer und Strudenhammer an den Werkmeister Anton Fanta, der das Werk seit 1843 geleitet hatte. Fanta starb 1894, und neuer Eigentümer war Desider Flir, der schon 1883 die Wiener Fabrik Wertheims übernommen hatte. Nach Flirs Tod 1909 verkaufte seine Witwe die beiden Werke in Neustift an die Firma Joh. Weiss & Sohn.2)
Die Firma Johann Weiss & Sohn erwarb in 1911 den Gstettenhammer und den Strudenhammer von Desider Flirs Witwe. Während im Strudenhammer weiterhin Beitel und Hobeleisen erzeugt wurden, wurde der Gstettenhammer und die anliegenden Gebäude als Wohnhäuser für die Belegschaft genutzt. Als die Firma Weiss sich 1966 aus Neustift zurückzog, wurde der Strudenhammer an die Firma Traunfellner verkauft und wird bis heute als Bauhof genutzt. Die Häuser am Ginselberg gingen in Privatbesitz über. Alle diese Gebäude sind heute noch vorhanden.
Abbildungen der beiden Standorte der Firma Weiss in Neustift findet man in verschiedenen Katalogen, z. B. im "Musterbuch E 1925". Der Stich unten zeigt den von der Firma Flir/Wertheim übernommenen Strudenhammer. Links unten als Einschub ist der Gstettenhammer am Ginselberg in Neustift mit mehreren Nebengebäuden abgebildete (obere Häuserzeile, siehe auch die Abbildung im Kopf dieser Seite). Das dreistöckige Gebäude mit Anbauten in der unteren Bildmitte ist der Ebenhammer der Firma Herrmann.
Mit Bezug auf das Buch "Neustift / Damals und heute" 2) können
die Hammerwerke entlang des Ursprungbachs auf dieser Aufnahme 3) wie folgt zugeordnet werden:
- Seehammer, Buddhistisches Kultur- und Meditationszentrum (links oben)
- Gstettenhammer (Franz Wertheim, Joh. Weiß & Sohn, langgestreckter Bau rechts darunter)
- Ebenhammer (Anton Herrmann, rechts darunter)
- Neustifthammer (darunter)
- Seitelhammer (Fabrik L. Wimmer, rechts darunter)
- Strudenhammer (Franz Wertheim, Joh. Weiß & Sohn, rechts unten)
1) | Wilhelm Löwenstein, Hermann Pröll: Chronik der Bezirksstadt Scheibbs (Scheibbs, 1989) |
2) | Erwin Huber: Scheibbs - Neustift / Damals und heute (Scheibbs, 2007) |
3) | Ausschnitte aus alten Postkarten, zur Verfügung gestellt von Hans Hagen Hottenroth |
4) |
Sammlung der Gesetze für das Erzherzogthum Oesterreich unter der Ens. Wien, 1840 Quellen zur Firma Gruber |
5) | Karl Bachinger: Der Niedergang der Kleineisenindustrie in der niederösterreichischen Eisenwurzen (1850-1914), (Dissertation, Wien 1972) |
6) |
Franz Wertheim: Rede vor der Versammlung des niederösterreichischen Gewerbevereins am 2. März 1846 Quellen zur Firma Gruber |
7) |
Privilegien vom 27. Januar 1823 (Franz Gruber), vom 29. Juli 1837 und vom 17. April 1838 (Anton Gruber) Quellen zur Firma Gruber |